Che - Revolucion

Andreas B. Krueger

A critic of Steven Soderbergh's movie "Che - Revolucion"

Der erste Teil von Steven Soderberghs Che-Verfilmung schildert minutiös den Kampf der Rebellen im Zuge der kubanischen Revolution, verzichtet jedoch auf zu eindeutige Interpretationen und Wertungen.

Episches Biopic, Guerilla-Kriegsfilm, historisierendes Heldendrama – viele Etiketten lassen sich für Soderberghs zweiteiliges Che-Projekt mit einer Laufzeit von viereinhalb Stunden finden. Doch Soderbergh verweigert sich einem umfassenden Porträt der Person Ernesto „Che“ Guevara und auch einer expliziten Kritik an ihr. Er konzentriert sich auf die Darstellung der Erlebnisse des Arztes, Politikers und Revolutionärs, gespielt von Benicio del Toro. Der Mensch hinter all diesen Funktionen und Rollen ist nur schwer zu erahnen.

Aber das ist nicht Anliegen des Films. Ches Tagebücher aus den 1950er Jahren bieten genug Stoff, um die Person Che Guevara in eine Figur zu transformieren, die funktioniert. Er wird als aufstrebender, intelligenter, charismatischer Kämpfer gezeichnet, der entscheidenden Anteil am erfolgreichen Guerillakrieg auf Kuba hat. Ab der ersten Einstellung legt Che das Armeehemd kaum ab, ordnet sich als gebürtiger Argentinier der kubanischen Revolution und Fidel Castros Guerilla unter, kurz, er ist der personifizierte Altruismus. So weit nichts neues, denn das ist auch die Deutungsebene, die aus Che eine Ikone werden ließ. Immer wieder begrüßt Guevara seine kämpfenden Kollegen mit Handschlag und Vornamen, er verarztet Verwundete im widrigen Dickicht der karibischen Insel, setzt sich für Alphabetisierung unter den Partisanen ein und übt sich in Gerechtigkeit gegenüber Bauern und Mitstreitern. Che ist omnipräsent und nahezu unfehlbar. Das ist auch die Schwäche der Figur – sie hat keine.

Die literarische Figur dominiert die historische; Soderbergh klammert Episoden und Aspekte der kubanischen Revolution aus – etwa die Ankunft in Havanna – und macht einen Bogen um Konflikte, vor allem um die mit Fidel Castro. Ebenso wenig versucht der Regisseur, eine psychologische Skizze zu liefern, die Gründe für das Agieren Guevaras bietet. Dabei wird der Zwang zur charakterlichen Kohärenz so stark, dass Benicio del Toro zwar eine perfekte Physis bietet, aber in die Brüche und Widersprüche Ches nur selten vordringt. Gelegentliche Hinweise auf sein Asthma-Leiden zeigen Che geschwächt, selbst der Weg zwischen zwei Bäumen erscheint wie ein Marsch. Ebenso ist er seiner eigenen Überlegenheit nicht mehr vollkommen sicher, als er von Castro in ein Ausbildungscamp zurückbeordert wird, nachdem er seine Gruppe nicht so glücklich wie erwartet geführt hat. Das sind jedoch die einzigen ambivalenten Aspekte, die der Figur zugestanden werden.

Aus welcher Perspektive die Wochen des Guerillakampfes erzählt werden, ist immer wieder unklar. Diese Unentschiedenheit äußert sich auf mehreren Ebenen des Films. Mit einer an das direct cinema angelehnten Ästhetik unterbricht Che - Revolucion (Che: Part One) die Narration mit einer zeitlichen und inhaltlichen Antithese: Der in den 1960er Jahren arrivierte Minister Guevara befindet sich in den USA, umringt von bedeutenden Persönlichkeiten, eloquent disputierend vor der UN-Vollversammlung, nachdenklich bei einem abendlichen Essen. Dieser zeitliche Bruch hilft zwar, den historischen Kontext zu erweitern, fügt der Figur selbst jedoch kaum nennenswerte Facetten hinzu. Gleichermaßen unstetig ist die visuelle Erzählperspektive. Die schwankende Steadicam inmitten der Kampfhandlungen bildet eine Variante, wenn es darum geht, die Einnahme einer Kaserne zu schildern. Dem entgegengesetzt werden genau komponierte, tableauhafte Bilder, durch die Che und seine Guerilleros marschieren; sie überqueren Flüsse, erklimmen Hügel und arbeiten sich durch Wälder; die Natur und die Menschen befinden sich am Rande der filmischen Transzendierung, wie es schon Der Schmale Grat (The Thin Red Line, 1998) von Terence Malick anstrebte.

Soderbergh legt sich nicht fest, bricht seinen eher gemächlichen Erzählrhythmus hin und wieder. Zwar werden Gut und Böse nur zaghaft bestimmt, doch im Zweifelsfall ergreift er Partei für seinen Protagonisten und seine Anhänger. Als Che zwei Deserteure hinrichten lässt, die raubend und vergewaltigend das Ziel und den Kodex der Rebellen untergraben, wird daraus eine Szene, die sich in ihrer Schlichtheit dem Pathos verweigert. Es drängt sich gleichzeitig der Eindruck auf, Che habe keine andere Wahl als die der standrechtlichen Erschießung der Abtrünnigen. Die Ambivalenz des Guerillakriegs scheint nur marginal durch. Zu metaphorisch ist die Kausalkette gestrickt, mit der die improvisierte Armee ihr Ziel verfolgt. Für die Eroberung einer feindlichen Stellung genügt ein gezielter Schuss mit der Panzerfaust, leichtfüßig reiht Che - Revolucion Erfolg an Erfolg. Sein Interesse liegt eher im Darstellen als im Reflektieren; ebenso wenig, wie Gründe für das Agieren Ches gegeben werden, spricht der Film die Effekte seines Handelns und des Krieges an. Das lässt eine von Interpretationen größtenteils bereinigte Leere entstehen. Noch vor dem nahenden Erfolg des militärischen Umsturzes endet der Film mit einem cliffhanger. Das offene Ende verweist auf die kommende Regentschaft Castros, der zweite Teil umgeht jedoch die Konfrontation mit der Realität des Regimes. Der Guerillakampf wird in weiteren Ländern Südamerikas fortgesetzt, doch nach Che - Revolucion wundert man sich, wo der zweite Teil Che - Guerilla für die titelgebende Figur anknüpfen kann.


Published on critic.de (2009)

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