Analog III

suzieq

Es war Mitte April, und der monatliche Kontoauszug der UBS (meiner Bank, der ich seit über 20 Jahren als Kleinanleger die Treue halte) war eingetroffen.

Ich erinnere mich an eine Zeit (es mag vielleicht 20, oder vielleicht auch erst 10 Jahre her sein), als die Kontoauszüge jeweils am Monatsanfang eintrafen – gleich nachdem die Gehaltszahlung eingegangen war und die Rechnungen bezahlt waren. Somit wusste ich immer genau, wieviel Geld für den neuen Monat zur Verfügung stand. Wenn ich heute den Kontosaldo lese, muss ich mich daran erinnern, was ich in den letzten zwei Wochen davon verbraucht habe. Aber ich bin ja selbst schuld, dass ich kein E-Banking mache und deshalb auch nicht die letzten Ausgaben per Smartphone abrufen kann.

 

Dass bei der viel kritisierten Grossbank (der ich teils aus Bequemlichkeit, teils aus Mangel an Alternativen trotz aller öffentlichen Schmähung noch nicht den Rücken gekehrt habe) eine gewisse Schlampigkeit eingerissen war, hatte ich vor ein paar Jahren bereits bemerkt, als ich einen neuen Vorrat an Überweisungsformularen bestellte. Waren diese früher aus kräftigem, ordentlich bedrucktem Papier, so fand ich nun dünne Blätter mit schlechter Perforation und kaum ablösbarem Adressaufkleber im Kuvert. Als treuer Kunde, der durch bescheidene Lebensweise eine beträchtliche Summe bei der Bank angespart hatte, empfand ich dies wie eine Ohrfeige oder wie einen Tritt mit dem Fuss. Es bedeutete für mich so viel wie: "Sie sind uns gute Qualität nicht wert".

Als Revanche steckte ich die Formulare nebst Einzahlungsscheinen in ein Kuvert und schrieb – anstatt den billigen Adresskleber zu verwenden – so schlampig es ging die Adresse der Bank darauf und warf es dort in den Briefkasten. Ich war ja selbst schuld, dass ich kein E-Banking machte.

 

So ging es einige Jahre, bis zu diesem Kontoauszug von Mitte April, den ich wie üblich kurz überflog und danach in meinem Bankordner abheften wollte. Gerade, als ich den Ordner schliessen wollte, fiel mir auf, dass das letzte Blatt dieses Kontoauszugs anders aussah als sonst. Ich öffnete den Ordner nochmals und schaute es genauer an.

Es handelte sich um eine Kundeninformation meiner Bank.

 

"Der neue Standard ist digital" (damit musste man rechnen).

"Änderungen per 1. Juni" (der Kunde hat anderthalb Monate Zeit, sich damit abzufinden oder zu handeln).

"Wir erweitern unser Produkt- und Dienstleistungsangebot und nutzen dabei die Möglichkeiten der Digitalisierung" (ich brauche weder neue Produkte noch Dienstleistungen).

"Mit unserem digitalen Angebot bieten wir Ihnen noch mehr Komfort – ganz ohne Papier" (zu freundlich, aber für mich passt es so, wie es ist).

"Was ändert sich für Sie?" (ganz sicher nichts zum Guten).

"Ab 1. Juni berechnen wir für jeden Zahlungsauftrag per Überweisungsformular CHF 0.70 pro Einzahlungsschein" (ich habe es ja gewusst. Dass es so viel sein würde, hätte ich jedoch nicht gedacht).

 

Nachdem ich bis hierher gelesen hatte, musste ich mir eingestehen, dass ich vielleicht etwas zu lange die Augen verschlossen hatte und mich die Realität schneller als vermutet eingeholt hatte. Ich war ja auch selbst schuld, dass ich noch nie E-Banking gemacht hatte.

 

Doch damit war das Schreiben noch nicht beendet, und der letzte Satz machte mich wirklich fassungslos:

"Beim UBS Privatkonto fällt zudem die Preisbefreiung aufgrund eines Gesamtvermögens von CHF 10' 000 weg" (ein neuer Tritt mit dem Fuss, denn es bedeutete doch nichts anderes als "bei dieser Gelegenheit teilen wir Ihnen ebenfalls mit, dass sparsame Kleinanleger von nun an bestraft werden").

 

Sehr geehrte Damen und Herren der Grossbank, der ich in all den Jahren die Treue gehalten habe:

 

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Mitteilung.

In Zukunft werde ich noch analoger als zuvor, und werde meine Rechnungen in bar am Postschalter bezahlen. Gehöre ich doch zu den Glücklichen, die noch eine Postfiliale am Wohnort haben!

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